31. März 2021, Martin Meister und Clement Heber
Beispiele für Lichtverschmutzung in Neustadt:
Kommentar zum Rheinpfalz-Artikel vom 19. März: „So soll Neustadt leuchten“ aus Naturschutzsicht
Den Artikel finden Sie hier.
Kaum ein Mensch kann sich dem angenehmen Gefühl entziehen, das eine schöne Beleuchtung im Außenbereich, insbesondere in der Stadt auslöst. Und nächtliche Beleuchtung vermittelt ein gewisses Sicherheitsgefühl. Das sind die beiden Argumente für nächtliche Beleuchtung.
Nun wird ein Beleuchtungskonzept der Stadt entwickelt, über das in dem genannten Artikel berichtet wird. Leider wird dabei der Naturschutz und die Wirkung nächtlicher Beleuchtung auf Tiere nur in nichts-sagenden Nebensätzen erwähnt und keinerlei Bezug genommen, wie Naturschutz und der Wunsch nach Beleuchtung in Einklang, bzw. zu einem Kompromiss gebracht werden sollen. Man beendet deshalb u. U. die Lektüre des Artikels mit dem Eindruck, mehr Licht ist besser und man kann dem ja auch noch im eigenen Vorgarten einiges hinzufügen. Um es eingangs klar zu sagen:
Aus reinen Gründen des Naturschutzes müsste die Stadt nachts dunkel sein.
Der NABU Neustadt möchte ob dieses Dilemmas einige Hinweise geben, warum nächtliche Beleuchtung schädlich für den Artenschutz ist und dass man an anderer Stelle diese Erkenntnisse schon in Leitfäden gegossen hat.
Alle Organismengruppen, Vögel, Säugetiere oder Insekten, haben sich im Laufe der Evolution an den Wechsel von Tag und Nacht und die jahreszeitlichen Verschiebungen angepasst. Über die Sinnesorgane werden diese Informationen aufgenommen, verarbeitet und über den Hormonhaushalt werden dann essentielle Stoffwechselvorgänge wie der Tag-und Nacht- Rhythmus, Wanderungen, die Fortpflanzung und die Futtersuche, um nur einige wichtige zu nennen, gesteuert.
Wird über die Auswirkung von künstlichem Licht auf die Umwelt gesprochen, fällt meist der Begriff „Lichtverschmutzung“. Hier geht es im Prinzip darum, dass künstliche Lichtquellen durch ihre Verwendung im Übermaß immer mehr zum Störfaktor im Naturhaushalt werden, weil sie diese Feinjustierung des Hormonhaushaltes der Organismen bis hin zum Menschen aus dem Lot bringen.
„Lichtimmissionen nehmen seit Jahren weltweit exponentiell zu. Mehr Licht wird eingesetzt, um dem Sicherheitsbedürfnis zu genügen, Straßen und Plätze sind die ganze Nacht beleuchtet. Bauwerke und andere Objekte werden angestrahlt und ausgeleuchtet, künstlerische Installationen geben neue Aspekte in der Stadtlandschaft. Jede künstliche Lichtquelle kann zu unerwünschten Lichtimmissionen beitragen. Die Lichtimmissionen sind eine einschneidende Veränderung unserer natürlichen Umgebung und können negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben.“
„Bei Vögeln reicht – wie bei Eidechsen – die Lichtdurchlässigkeit der Schädeldecke aus, um geringe Helligkeitsunterschiede von 10 Lux zu registrieren und den Organismus zu beeinflussen. Mit Zusatzlicht kann z.B. „die Geschlechtsreife bei Hühnern vorverschoben und die Tätigkeit der Keimdrüsen (Eiablage) verlängert werden. Andererseits nimmt die Spermaproduktion beim erwachsenen Hahn markant ab, wenn die längere Beleuchtung beibehalten wird. Künstliche Beleuchtung kann auch die Nestdichte und den Brutbeginn bei Wildvögeln beeinflussen.“
„Künstliches Nachtlicht kann bei Singvögeln zu Verhaltensänderungen führen. Bsp.: Blaumeisen Parus caeruleus, Kohlmeisen Parus major,“ Amseln Turdus merula „und Buchfinken Fringilla coelebs ließen ihren Territorialgesang in beleuchteten Stadtpärken am Morgen früher erschallen als im Wald (Bergen & Abs 1997). Bsp.: Eine amerikanische Spottdrossel Mimus polyglottus, die ihren nächtlichen Gesang nach der Paarung immer außer bei Vollmond einstellt, singt nachts in künstlich beleuchtetem Areal (Derrickson 1988).“ Dies hört sich erst einmal gut an, bedeutet für die Tiere aber einen erhöhten Energiebedarf.
„Straßenlicht und Nestdichte bzw. Brutbeginn von Uferschnepfen. Bsp.: Eine Untersuchung in einem offenem Feuchtgebiet mit einer stark befahrenen Straße unter beleuchteten und unbeleuchteten Bedingungen ergab, dass die Nestdichte von Uferschnepfen Limosa L. limosa bei Beleuchtung der Straße von der Entfernung zur Straße abhing und in der Nähe der Strasse (bis zu 300 m) kleiner war als weiter weg (De Molenaar et al. 2000). Zudem wurde in der Nähe der beleuchteten Straße ein späterer Brutbeginn beobachtet.“
„Fassadenbeleuchtung – eine Bedrohung für Fledermäuse? Verschiedene Fledermausarten versammeln sich im Sommerhalbjahr zur Fortpflanzung in Fassadenbereichen oder anderen Hohlräumen von Gebäuden, die als Fledermausquartiere bezeichnet werden. Diese Arten zeigen eine grosse Empfindlichkeit auf Licht in der Nähe ihres Quartiers, was vermutlich mit der Feindvermeidung zusammenhängt.“
„ Fledermäuse fliegen zu späterer Stunde aus, wenn die nähere Umgebung des Quartiers unter künstlichem Lichteinfluss steht, beispielsweise durch Fassadenbeleuchtung, und früher, wenn in der unmittelbaren Nähe Deckung durch Bäume vorhanden sind (Theiler 2004, Britschgi et al. 2004). Am Morgen kehren sie bei Deckung entsprechend später zurück. Sie gewinnen damit mehr Zeit für die Nahrungssuche.“
„Künstlich beleuchtete Räume werden von bestimmten nachtaktiven Säugetieren gemieden. Fledermäuse fliegen später aus, wenn die Ausflugsöffnungen beleuchtet werden und keine alternativen Möglichkeiten bestehen. Den Tieren bleibt dadurch weniger Zeit für die Nahrungssuche. Bekannt sind Fälle, wo angestammte Quartiere nach der Installation einer neuen Beleuchtung von den Fledermäusen verlassen wurden.“
Insekten
„Wenn Nachtfalter in den Bereich von künstlichem Licht gelangen, ziehen sie oft endlose Schleifen und Kreise in der Lichtsphäre. Sie sind im Licht gefangen. Man könnte diesen Mechanismus als Vakuumreiniger-, Fesselungs- oder Leitplankeneffekt bezeichnen (Eisenbeis 2002). Die Insekten sind durch diesen Effekt desorientiert. Dadurch verfliegen sie ihre Energievorräte an den Lampen und werden von ihrem normalen Lebenslauf abgehalten: Paarungs- und Wanderverhalten, Nahrungsaufnahme und Eiablage werden gestört. Zudem besteht die Gefahr, an der Lichtquelle zu verbrennen, gefangen zu bleiben und an Erschöpfung zu sterben. Im Licht gefangene Insekten sind eine leichte Beute für Fledermäuse, Spinnen oder andere Feinde.“
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Neben dem Artenschutz gibt es andere Effekte der nächtlichen Lichtverschmutzung: Diejenigen unter uns, die gerne Sterne beobachten, werden schon lange festgestellt haben, dass dies in und um Neustadt kaum möglich ist. Es ist das diffuse Licht aus den tausenden von Lichtquellen in der Stadt, welches nur noch das Licht der hellsten Sterne durchkommen lässt. Man muss schon einige Kilometer in den Pfälzer Wald fahren, um der starken Lichtverschmutzung hier zu entgehen und wieder einen klaren Sternenhimmel zu sehen. Es ist zu vermuten, dass ein guter Teil von uns gar nicht mehr weiss, wie beeindruckend und ergreifend der Sternenhimmel in einer dunklen Umgebung aussieht.
An anderer Stelle – in Bayern – hat man das Problem erkannt und schon in 2019 einen offiziellen „Leitfaden zur Eindämmung der Lichtverschmutzung – Handlungsempfehlungen für Kommunen“ der Bayerischen Staatsregierung verabschiedet. Hier nur ein knappes Zitat aus der Einleitung des Leitfadens: „ Dieser Leitfaden behandelt gleichermaßen Straßen- und Wegebeleuchtung, aber auch Außenbeleuchtung wie Lichtwerbung und die Beleuchtung öffentlicher Gebäude, Fassaden und Schaufenster und gibt praktische Tipps zur Umsetzung.“ Der NABU Neustadt hat zum Beleuchtungskonzept der Stadt über den Umweltausschuss einen Fragenkatalog vorgelegt, der noch von der Stadt beantwortet werden soll. Aus dem hier Gesagten ergeben sich für Stadt und Privatpersonen folgende Hinweise, wenn man nicht gegen den Artenschutz handeln will:
Wir hoffen, dass dieser Artikel zahlreiche Neustadter, neben den Offiziellen der Stadt, auch Besitzer von Gärten, Grundstücken und Geschäften erreicht und zum Nachdenken anregt.